Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) des Europäischen Parlaments hat mit 37 Ja-Stimmen, 7 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung den Bericht über die Beseitigung von nichttarifären und nichtsteuerlichen Handelshemmnissen im Binnenmarkt genehmigt. Marc Angel, Schattenberichterstatter der S&D-Fraktion, betonte, dass die vollständige Umsetzung der Ziele des Grünen Deals und der Digitalen Agenda für Europa hauptsächlich vom reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und einer angemessenen öffentlichen Politik abhängt. Folglich müssen ungerechtfertigte Hindernisse in der gesamten EU abgebaut werden.
Gleichwohl sich das Parlament bereits mit der Frage nichttarifärer Hemmnisse befasst hat und 2016 in einem Beschluss Empfehlungen zu deren Beseitigung erlassen hat, ist der aktuelle Bericht breiter aufgestellt, da er auch nichtsteuerliche Hemmnisse berücksichtigt. Der Bericht ist ebenfalls deutlich progressiver als vorherige Bemühungen.
Der Bericht identifiziert mehrere ungerechtfertigte Hindernisse in Sachen grenzüberschreitenden Aktivitäten und betont, dass eine unzureichende Umsetzung und Durchsetzung des EU-Rechts, restriktive nationale Vorschriften, territoriale Versorgungsengpässe, sowie unnötige Bürokratie und überflüssige Durchführungsvorschriften (das sogenannte „gold-plating“) negative Folgen auf EU- und auf nationaler Ebene haben können. So werden Bürger um Arbeitsplätze, Verbraucher um Auswahlmöglichkeiten und Unternehmer um Chancen gebracht. Gleichzeitig stellt der Bericht klar, dass Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen das Recht haben, Regelungen zu erlassen um legitime Ziele der öffentlichen Politik wie dem Umweltschutz, den Verbraucher- oder Arbeitnehmerrechte, oder der Lebensmittelsicherheit zu verfolgen.
Das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sollte mit Bemühungen einhergehen, um die grundlegenden Ziele der EU in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung, die soziale Marktwirtschaft und den Umweltschutz und der Verbesserung der Umweltqualität, zu erreichen. Daher enthält der Bericht auch klare Verweise auf das Pariser Abkommen und die Europäische Säule sozialer Rechte und unterstreicht, dass „die wirtschaftlichen Freiheiten zur Lieferung von Waren und Dienstleistungen keinen Vorrang gegenüber den Grundrechten – einschließlich der sozialen Rechte, der Arbeitnehmerrechte und der Gewerkschaftsrechte – haben und diese nicht beeinträchtigen dürfen“.
Der Bericht schlägt eine Reihe von Maßnahmen vor, um die derzeitigen Mängel im Binnenmarkt zu beheben, darunter eine bessere und einheitlichere Umsetzung des EU-Rechts, eine stärkere Überwachung der nationalen Vorschriften, einschließlich durch die Mitgliedstaaten, die Gewährleistung des zutreffenden Harmonisierungsniveaus, eine stärkere Durchsetzung und eine weitere Digitalisierung der öffentlichen Dienste.
Da Initiativen zur Verbesserung des Binnenmarkts für Dienstleistungen fehlen, fordert der Bericht die Kommission außerdem auf, bis Mitte 2022 einen Aktionsplan zur Verbesserung des derzeitigen Notifizierungsverfahrens gemäß der Dienstleistungsrichtlinie vorzulegen. Für Luxemburg ist es auch sehr wichtig, dass nächstes Jahr im Rahmen des Evaluierungsberichts der Geoblocking-Verordnung Möglichkeiten zur Beseitigung von ungerechtfertigtem und unwirksamem Geoblocking vorgeschlagen werden sollten. Der Bericht begrüßt einerseits die bereits erzielten Ergebnisse, geht aber auch auf unangemessene Beschränkungen bezüglich der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Arbeitsweise der Taskforce für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften (SMET) ein, und unterstreicht vor allem die Notwendigkeit für mehr Transparenz.
Der Bericht fordert Mitgliedstaaten zu Recht auf, so weit wie möglich auf abweichende nationale Regelungen zu verzichten und bevorzugt nach Lösungen auf europäischer Ebene zu suchen. In diesem Sinn betont er auch, dass die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit die Integrität des Binnenmarkts stärkt, und dass die Vorschriften stets in gerechtfertigter, verhältnismäßiger und nichtdiskriminierender Weise angewendet werden müssen.
Der genehmigte Bericht hält eindeutig fest, dass jede Form staatlich geförderter Diskriminierung, wie etwa gegen Menschen mit Behinderungen oder aufgrund von wirtschaftlicher Stellung, Nationalität, Alter, Rasse oder ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Beruf, Geschlecht oder sexueller Orientierung (einschließlich LGBTIQ- Phobie) die Freiheiten des Binnenmarktes einschränkt und damit ein nichttarifäres Hemmnis errichtet.
Der Bericht hebt auch hervor, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission bei ihrer anfänglichen Reaktion auf die COVID-19 Pandemie die Bedürfnisse des Binnenmarkts nicht immer berücksichtigt haben und so der freie grenzüberschreitende Waren-, Personen- und Dienstleistungsverkehr ernsthaft beeinträchtigt wurde.
Im Falle einer erneuten Verschlechterung der epidemiologischen Situation müssen die Mitgliedstaaten die Leitlinien der Kommission vollständig umsetzen und sollten einen koordinierten Ansatz verfolgen, damit Arbeitnehmer und Dienstleister die Grenzen überschreiten und ungehinderten Zugang zu ihrem Arbeitsplatz haben. Die Mitglieder des IMCO-Ausschusses begrüßten auch den Vorschlag der Kommission, ein Notfallinstrument für den Binnenmarkt in Form eines rechtsverbindlichen strukturierten Instrumentes vorzulegen, um den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr im Falle künftiger Krisen zu sicherzustellen.